Raoul Korner im Abschiedsinterview: „Das ist ein Team für die nächsten zehn Jahre!“ Gratulation zum Aufstieg in die nächste Runde. Du sagst immer, du misst dich nicht nur an Siegen, sondern am Prozess. Was hat sich seit Beginn dieser EM-Qualifikation verändert? Raoul Korner, Head Coach Österreich: Das Gesicht der Mannschaft hat sich verändert. Es sind neue Spieler dazugekommen und haben wichtige Rollen auf allen Positionen eingenommen. Sei das jetzt ein Sebastian Käferle am Point Guard, ein Timo Lanmüller und ein Jakob Lohr am Flügel oder Renato Poljak und Rashaan Mbemba auf den großen Positionen. Die Jungen sind gekommen und haben performt. Du hast in diesem Zusammenhang gesagt, dass es manchmal notwendig ist, zwei Schritte zurückzugehen, um nachher fünf Schritte nach vorne zu machen. Wie genau war das gemeint? Das hat sich darauf bezogen, dass so ein Neuaufbau nicht von heute auf morgen geht. Man kann zum Beispiel nicht von einem 16-jährigen Fynn Schott erwarten, dass er wie ein Jakob Pöltl spielt. Aber kurzfristiger Erfolg stand für mich nicht im Mittelpunkt, sondern, dass sich die Spieler entwickeln. Wir haben jetzt eine junge Truppe, in der jeder Spieler besser werden kann und dann wird auch das Nationalteam langfristig stärker. Die Zeit ist unser Freund, auch wenn es natürlich schon ein gutes Zeichen ist, dass unser junges Team gegen andere kleine Länder dominieren kann. Das waren keine Jausengegner und das war auch nicht immer selbstverständlich. Du hast gerade Jakob Pöltl angesprochen. Er war ein großer Teil des Erfolgs der letzten beiden Spiele. Kein Wunder, er spielt in der besten Basketballliga der Welt. Du coachst selbst in einer europäischen Topliga. Was fehlt der Mannschaft derzeit noch, um auf dieses Niveau zu kommen, um so hoffentlich an einer EM-Endrunde teilzunehmen und dort Spiele zu gewinnen? In erster Linie braucht es Erfahrung. Die Intensität, Physis und Schnelligkeit des Spiels auf diesem Level waren für viele neu. Das ist der nächste Schritt. Talentierte Spieler passen sich aber immer an das Niveau um sich herum an. Das heißt auch die österreichische win2day Basketball Superliga muss sich weiterentwickeln. Und idealerweise schaffen auch einige den Sprung in höhere Ligen im Ausland. Die Qualität eines Teams hängt ab vom Talent, der Einstellung und der Erfahrung der Spieler. Die beiden ersteren hat diese Mannschaft, die Erfahrung wird kommen. Einer, der bereits über das komplette Paket verfügt, ist Jakob Pöltl. Wie ändert sich das Spiel ohne den Spurs-Center? Kann die Mannschaft in der nächsten EM-Qualifikationsrunde einfach den Schalter umlegen Ja, das können wir. Dass Jakob dabei ist, ist etwas Außergewöhnliches. Das wussten wir von Anfang an. Wir haben deshalb nicht alles über Bord geworfen. Seine Präsenz verändert das Spiel gewaltig, aber die Mannschaft wird auch ohne ihn funktionieren. Und man darf auch nicht vergessen, dass wir Luka Brajkovic in der Pipeline haben. Der ist Inside eine ganz große Hoffnung. Du hast im Vorfeld viel über Durchlässigkeit gesprochen. Also, dass die Jungen im Nationalteam eine Chance bekommen. Du hast auch erwähnt, dass dir ein großer Pool an Spielern, die deine Philosophie am Feld umsetzen können, wichtig ist. Genau diese Philosophie hast du jetzt drei Jahre implementiert. Was macht sie aus? Wird sie weiterleben auch ohne dich an der Seitenlinie? Meine bisherigen Assistant Coaches werden fortführen, was wir gemeinsam vor drei Jahren begonnen haben. Mein Ziel war und ist es, dass Österreich einen modernen, smarten, europäischen Basketball spielt.  Das heißt, dass wir in der Defense proaktiv agieren und physisch spielen und in der Offensive das Feld weit machen, den Ball teilen, gute Entscheidungen treffen und dass dabei auch noch Platz für Kreativität ist. Ich will keine Basketballroboter. Ich hätte gerne noch mehr gemacht, doch mit Covid war es keine einfache Zeit. Aber meine Basketballphilosophie wird es definitiv weiterhin im Nationalteam geben. Du erwähnst gerade die Kreativität am Feld. Viele Spieler zeigen in der Nationalmannschaft Skills, die man bei den Klubs nicht immer sieht. Du lässt sie viel Verantwortung übernehmen, auch in anderen Rollen als bei ihren Klubs. Ist da Strategie dahinter? Das sind richtig gute Basketballer und klar, im Nationalteam dürfen sie mehr machen als bei ihren Vereinen, wo viele kreative Aufgaben am Feld von Legionären übernommen werden. Die Nationalmannschaft kann den österreichischen Spielern einen Boost geben, wenn die Klubs sehen, der kann mehr als in der Ecke stehen. Der kann ein Pick-&-Roll laufen. Dieses Selbstvertrauen nehmen die Spieler ja auch mit zu den Klubs. Bei Rashaan Mbemba hat man das sehr gut beobachten können. Und das sieht man sogar bei einem Jakob Pöltl. Er war immer ein sehr guter Passer, aber dazu muss er eben auch den Ball bekommen. Im Nationalteam hat er da eine andere Rolle und kann aus Stereotypen ausbrechen. Was waren bzw. sind die größten Hürden als Teamchef eines kleinen Landes? Das Schwierigste war, mehr oder weniger ohne Training in die vergangene EM-Quali (für die Europameisterschaft 2022, Anm.) zu starten. Wir hatten da zweieinhalb Tage Training und mussten dann gegen Teams wie Slowenien, Ukraine und Ungarn spielen. Dann kam auch noch Covid. Ich bin ein Coach, kein Zauberer. Die größte Hürde war es also sicher, ohne nennenswerte Vorbereitung Ergebnisse zu liefern. In dem Moment, wo man trainieren kann, wird man besser. Das hat man auch jetzt gesehen. Was war dein schönster Moment als Teamchef? Das Schönste war es in den vergangenen drei Jahren die Entwicklung der Mannschaft zu sehen. Wenn ich zurückdenke mit welchem Personal wir begonnen haben und wie das Team jetzt aussieht. Das sind junge Spieler mit Qualität und Energie und das macht Spaß. Das ist ein Team für die nächsten fünf, sechs oder zehn Jahre. Die könnten dann immer noch gemeinsam spielen. 15 Spieler haben unter mir ihr Debüt im Team gefeiert. Uns ist ein Umbruch ohne Qualitätsverlust gelungen. Gleichzeitig hat sich aber die Perspektive erhöht.  Ein Höhepunkt war aber sicher auch die Basketballbegeisterung während der letzten beiden Spiele in Salzburg. So etwas habe ich in Österreich beim Nationalteam noch nicht erlebt. Die Stimmung in der Halle in Salzburg war jetzt wirklich zweimal hintereinander großartig. Hat sich der Stellenwert des heimischen Basketballs in den vergangenen Jahren zum Positiven verändert? Ich denke schon, dass der Funken auf die Fans übergesprungen ist. Natürlich war das nur ein Ausschnitt und der Faktor Jakob hat eine große Rolle gespielt. Aber die Fans sehen, dass da junge Talente zu Leistungsträgern heranwachsen. Das muss jetzt nachhaltig so weitergehen. Am besten funktioniert das, wenn die Leistungen am Feld stimmen. Wir sind am richtigen Weg, aber das Bäumchen muss man gießen und pflegen. Wann wird man dich wieder an der Seitenlinie des Nationalteams sehen? In der derzeitigen Konstellation ist das schwierig, denn ich möchte auf europäischem Topniveau coachen, gleichzeitig ist die Stelle als Teamchef eigentlich ein Vollzeitjob. Das ist belastend, vor allem zeitlich. Und ein Team wie die Hamburg Towers (Korners neuer Klub, Anm.) kann sich die Trainer aussuchen. Die erwarten dementsprechend hundert Prozent Commitment. Diese Problematik wird also da sein, solange ich international auf diesem Level coache. Ziel des Verbands muss es deshalb auf lange Sicht sein, einen hauptberuflichen Head Coach zu ernennen. Aber ja, wenn es die Umstände wieder zulassen, will ich die Nationalmannschaft auf jeden Fall wieder trainieren. Ich habe das Gefühl, ich kann hier etwas bewegen! Foto: FIBA